Werkverträge in der Kritik
INSM „Drei Fragen zu Werkverträgen“ 20.10.2015
Interview mit Bernhard Steinkühler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, zu Werkverträgen als Form der Geschäftsbeziehung und die Rolle der Gewerkschaften.
21. September 2015 – Beitrag von
Was ist ein Werkvertrag? Und was unterscheidet ihn vom Arbeitsvertrag?
Werkvertrag und Arbeitsvertrag sind zwei Paar Schuhe. Der Unternehmer muss in seiner Tätigkeit erfolgreich sein und schuldet ein am Ende gelungenes Werk. Deswegen gibt es auch eine Abnahme, beispielsweise bei einem schlüsselfertigen Haus. Der Arbeitnehmer hingegen schuldet eine so genannte durchschnittliche Bemühung während seiner vereinbarten Arbeitszeit. Ein angesteller Verkäufer wird deshalb nicht abgemahnt, wenn er nichts verkauft. Der Angestellte verrichtet sogenannte unselbstständige Arbeiten, die sozialversichert sind, erhält zudem Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Anders verhält es sich beim Werksunternehmer, der diese Risiken selber zu tragen hat.
Festzuhalten ist daher, dass es sich um zwei unterschiedliche Vertragstypen handelt, die so lange existieren, wie das Bürgerliche Gesetzbuch – und damit seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Arbeitsrecht, das sich insbesondere dem Arbeitnehmerschutz widmet, gibt es deshalb auch – anders als im Werkvertragsrecht – unzählige Schutzgesetze. Sofern der Werkunternehmer nicht alleine arbeitet, kann er aber selbstverständlich auch Arbeitnehmer einsetzen. An dieser Stelle gibt es dann Berührungspunkte, da diese Arbeitnehmer dann sozialversicherungspflichtig sind – eben wie alle anderen Arbeitnehmer auch.
Die Gewerkschaften nehmen bei Werkverträgen einen massivem Missbrauch an. Wann liegt rechtlich gesehen ein Missbrauch von Werkverträgen vor?
Zunächst verwundert mich, dass sich Gewerkschaften um Werkverträge kümmern. Dies ist sicherlich nicht der eigentliche Vereinszweck. Darüber hinaus stellt sich mir die Frage, wie ein Unternehmer, der ein Werk schuldet, missbraucht werden kann. Dies scheint mir schlichtweg nicht möglich zu sein. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Unternehmer selber Arbeitnehmer einsetzt, um ein aufgetragenes Werk zu komplettieren. In diesem Fall sind diese ohnehin als reguläre Arbeitnehmer geschützt. Sollte der Unternehmer hingegen Scheinselbstständiger sein, hat dies selbstverständlich Konsequenzen. Der Betroffene kann seinen Arbeitnehmerstatus einklagen und seine Rechte geltend machen. Was das Einkommen angeht, besteht zwischen Werkvertragnehmern und Angestellten natürlich ein Unterschied. Schließlich muss der Unternehmer sich selber gegen Krankheit, Unfall und für das Alter versichern. Auch aus diesem Grund ist ein Risikozuschlag gerechtfertigt. Es ist allerdings wohl kaum Aufgabe der Gewerkschaften, diese Kalkulation vorzunehmen.
Gibt es tatsächlich massiven Missbrauch?
Nein, ich habe nicht den Eindruck, dass ein massiver Missbrauch festzustellen ist. Tatsächlicher Missbrauch kann bereits jetzt festgestellt und auch geahndet werden. Missbrauch durch sogenannte Scheinwerkverträge liegt vor, wenn Leistungen falsch deklariert werden, beispielsweise wenn Reinigungskräfte „den Erfolg“ eines sauberen Zimmers schulden und folglich pro Zimmer als Unternehmer bezahlt werden. Auf diese Form des Missbrauchs haben Legislative und Rechtsprechung aber bereits reagiert. Scheinselbständige werden demnach in der Sozialversicherung nicht akzeptiert. Auch die Arbeitsgerichte helfen den Betroffenen und stellen ihren Arbeitnehmerstatus fest. Das erstinstanzliche Arbeitsgerichtsverfahren ist dabei annähernd kostenfrei. Der Scheinselbstständige kann die Rechtsantragsstelle des Gerichtes nutzen und hat in der ersten Instanz in keinem Fall die Kosten der Gegenseite zu tragen. In den letzten Jahren ist auch zu beobachten, dass die Sozialversicherer Betriebe – meistens branchenbezogen – intensiver kontrollieren.
Braucht es eine Änderung der bestehenden Gesetze, um Missbrauch zu verhindern?
Sozialrechtlich, arbeitsrechtlich und strafrechtlich gibt es bereits zahlreiche funktionierende Schutzmechanismen. Wenn ich höre, dass weitere Gesetze zum Kampf gegen den angeblichen Missbrauch gefordert werden, habe ich eher den Eindruck, dass das Outsourcing von Dienstleistungen verhindert werden soll. Wenn sich die Gewerkschaften an dieser Stelle einmischen, würde aber das grundgesetzlich geschützte Recht auf unternehmerische Freiheit gebrochen werden. Soweit kann die Regelungsbefugnis einer Gewerkschaft nicht gehen.
Die Gewerkschaften fordern eine Ausweitung bei der Mitbestimmung der Werkverträge. Wie ist das juristisch zu bewerten?
Ich muss noch einmal darauf zurückkommen, dass sich die Gewerkschaften nach ihren Satzungen um die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer kümmern. Werkverträge gehören nicht dazu. Denn diese werden nicht mit Angestellten geschlossen. Ich habe außerdem große Bedenken, dass die Mitbestimmung bei Werkverträgen verfassungsrechtlich möglich wäre. Und wie sollte die Mitbestimmung überhaupt aussehen? Auf welcher Grundlage sollte entschieden werden? Wenn die Gewerkschaften fordern, dass die Abgrenzung zum Werkvertrag dadurch erleichtert werden soll, dass eine Beweislastumkehr oder aber eine Beweiserleichterung gesetzlich geregelt werden soll, dann frage ich mich, wie dies normiert werden soll? Schließlich geht es immer um Einzelfälle und ähnlich, wie in einem Indizienprozess müssen die Gesamtumstände gewürdigt werden. Dass dann eine allgemeine Regelung praktikabel sein soll, erscheint mir sehr zweifelhaft. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir den Hinweis, dass das Sozialgesetzbuch bereits eine Beweislastregelung zur Beurteilung der Frage, wann Scheinselbstständigkeit vorliegt, hatte. Diese Regelung, die fünf Kriterien nannte, bestand allerdings nur im Zeitraum von 1999 bis 2002. Danach sollten nur noch die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien maßgeblich sein. Das Gesetz hatte keine Bedeutung, ein klassischer Fall der Überregulierung. Dies ist auch dann zu befürchten, wenn eine Beweislastregelung für Werkverträge Gesetz werden sollte. Die Gewerkschaften fordern eine Haftung für die Arbeitnehmer eines Subunternehmers durch den Auftraggeber. Dies erscheint mir nicht angemessen zu sein, weil eine derartige Konstruktion das gesamte Wirtschaftsleben zu sehr verkomplizieren würde. Aufwand und Nutzen sind nicht akzeptabel.
Erschienen am 14. September 2015 bei „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“