Anspruch auf die Erwähnung allgemein üblicher Arbeitseigenschaften im Zeugnis?

Anspruch auf die Erwähnung allgemein üblicher Arbeitseigenschaften im Zeugnis?

LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2017 – 12 Sa 936/16

31. Januar 2018 – Beitrag von Katharina Heinschke

Häufig stellt sich die Frage, ob im Zeugnis zu allen üblichen Arbeitseigenschaften, wie zum Beispiel der „Zuverlässigkeit“, „Sorgfältigkeit“ oder „Selbstständigkeit“, Stellung genommen werden muss und, ob das Schweigen zu einzelnen Eigenschaften negative Rückschlüsse auf die Arbeitsweise zulässt. Mit diesen Fragen hat sich erneut das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Urteil vom 29. November 2017 (Az.: 12 Sa 936/16) auseinandergesetzt.

Arbeitgeber müssen im Zeugnis grundsätzlich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Beurteilung der Leistungen des Arbeitnehmers von Bedeutung sind, vollständig und genau eingehen, damit sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild vom Arbeitnehmer machen kann. Solange das Zeugnis keine Unwahrheiten enthält, kann der Arbeitgeber über die Formulierung und den Inhalt des Zeugnisses frei entscheiden. Hierzu gehört regelmäßig auch die Entscheidung, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Gestaltungsfreiheit des Arbeitsgebers aber dadurch begrenzt, dass er bestimmte Arbeitseigenschaften im Zeugnis zu erwähnen hat, wenn diese in Zeugnissen einer bestimmten Branche oder Berufsgruppe üblich sind. Denn weder Wortwahl noch Auslassungen dazu führen, dass beim Leser des Zeugnisses falsche Vorstellungen entstehen können. Denn fehlen bestimmte Merkmale oder Eigenschaften kann der Eindruck entstehen, dass der Arbeitnehmer insoweit nur unterdurchschnittliche oder allenfalls durchschnittliche Leistungen erbracht hätte. Wenn bestimmte Merkmale daher in besonderem Maße gefragt sind und ein allgemeiner Brauch besteht, diese Eigenschaften im Zeugnis zu erwähnen, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich auch einen Anspruch, dass diese Eigenschaften im Zeugnis aufgenommen und damit hervorgehoben werden.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte sich in diesem Zusammenhang mit der Frage auseinanderzusetzen, wie festgestellt wird, ob ein solcher Zeugnisanspruch besteht. In dem entschiedenen Dall, bestand die Assistentin eines Partners einer internationalen Rechtsanwaltssozietät darauf, dass im Zeugnis erwähnt wird, sie habe stets „selbstständig“ gearbeitet. Sie behauptete, dass es üblich sei, diese Eigenschaft in Zeugnissen von Assistenzkräften in Anwaltskanzleien zu erwähnen.

Ob eine Arbeitseigenschaft üblich ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Einzelfall auch durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hielt jedoch auch amtliche Auskünfte der Industrie- und Handelskammern für die Feststellung als ausreichend und bat daher verschiedene Rechtsanwaltskammern um Auskunft, ob ein Zeugnisbrauch bestehe. Die Rechtsanwaltskammern erteilten ihre Auskunft auf der Grundlage von Umfragen bei ihren Mitgliedern, die ergaben, dass das Merkmal des „selbstständigen Arbeitens“ in Zeugnissen einer Assistenzkraft für Rechtsanwälte nicht üblich sei. Der Zeugnisberichtigungsanspruch wurde daher abgelehnt.

Ob eine Arbeitseigenschaft üblich ist, ist im Einzelfall durch Sachverständigengutachten und amtliche Auskünfte zu klären. So hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zur Klärung dieser Frage verschiedene Rechtsanwaltskammern um Auskunft gebeten, die ihrerseits Umfragen bei ihren Mitgliedern durchführte, um zu ermitteln, ob ein Zeugnisbrauch besteht.

Letztlich bleibt aber immer im Einzelfall zu klären, welche Eigenschaften branchenüblich und berufstypisch sind. Da die meisten Zeugnisse sehr häufig immer wieder auf die gleichen Eigenschaften für die Beurteilung der Leistungen eingehen und sich an allgemeinen Mustern orientieren, spricht viel dafür, dass Merkmale, wie „Selbstständigkeit“, „Sorgfältigkeit“ oder „Zuverlässigkeit“ berufs- und branchenübergreifend üblich sein dürften und ein Fehlen zur Abwertung der eigentlichen Beurteilung führt. Aus diesem Grund dürfte die Einholung von Sachverständigengutachten oder Kammergutachten auch in Zukunft eher der Ausnahmefall bleiben.